Muskelerkrankungen

Von der Muskulatur bis hin zur Muskelerkrankungen (Myopathie)

Von der Muskulatur bis hin zur Muskelerkrankungen (Myopathie)
Bevor man anfängt sich Gedanken über das Training und die Fütterung seines Pferdes zu machen, sollte man es sich einmal ganz genau betrachten. Daraus ergibt sich schon einiges von selbst. Denn wie bei uns Menschen, gibt es auch bei Pferden unterschiedliche Typen in der Muskulatur, damit auch unterschiedliches Training und entsprechend das, was in den Futtereimer kommt oder draußen bleibt.
Schauen wir also mal ein wenig genauer hin.
Dass ein gut ausgebildetes Dressurpferd eher rund und kräftig wie ein Bodybuilder und ein Distanzpferd meist dürr und sehnig wie ein Gepard aussieht, liegt daran, dass verschiedene Muskelgruppen beansprucht und anders trainiert werden.
Verglichen mit dem Menschen kann man sagen: Das Distanzpferd ist ein Marathonläufer und das Dressurpferd ein Bodybuilder wie Arnold Schwarzenegger, das Galoppferd ein Sprinter, etc.
Damit Pfede aber auch das zusätzliche Reitergewicht tragen können, müssen komplexe Abläufe im Pferdekörper ablaufen. Vor allem aber braucht das Pferd Kraft. Dreh- und Angelpunkt sind die Muskeln, präziser die Muskelketten. Kraft erreicht man durch Training. Hauptaufgabe aller Muskelketten ist die Umformung des Pferdes in ein Reitpferd.
Wer Pferde effizient trainieren und den Muskelaufbau fördern will, muss verstehen, wie die einzelnen Muskelgruppen zusammenarbeiten und warum es nichts bringt, die eine zu stärken und die andere zu vernachlässigen. Leider erlebe ich täglich immer wieder, dass einfach ein Pferd gekauft wird und man meint, es ist von Natur aus dazu geboren uns zu tragen und unsere Wünsche zu erfüllen. Wenn ich Besitzer frage, wie sie ihr Pferd einschätzen oder wieso es so und so trainiert wird, ist die Antwort meist nur ein Schulterzucken. Leider!
Denn - wenn die Glieder der Muskelfunktionskette nicht gleich stark sind, wird das schwächste Glied der Kette überlastet. Dann laufen koordinative Notfallprogramme im Organismus ab. Es kommt zu Muskelverkrampfungen und langfristig zu Überlastungssymptomen. Beim Pferd sind diese aufgrund seiner Konstruktion als Vierbeiner besonders fatal.
Welche Muskelgruppen ist es eigentlich?
Herzmuskulatur: Der Herzmuskel ist der Motor des Kreislaufes.
Glatte Muskulatur: Die glatte Muskulatur ist zuständig für die inneren Organe (zum Beispiel Verdauungsapparat und Gefäßsystem).
Skelettmuskulatur: Diese Muskeln sind zuständig für die Motorik (quer gestreifte Muskeln).
Werfen wir einen Blick auf die Skelettmuskeln (von Slow twitch und Fast twitch)
Alle Skelettmuskeln haben drei Dinge gemeinsam: Sie haben einen Ursprung, einen Bauch und einen Ansatz. Der Ursprung des Muskels liegt proximal, das heißt der Körpermitte zugewandt, und der Ansatz distal, also der Körpermitte abgewandt. Den Ursprung und den Ansatz des Muskels bilden Sehnen, die ihn am Skelett fixieren. Sie sind im Gegensatz zum Muskelbauch weniger elastisch und durchblutet, der um ein vielfaches dehnbarer ist und von einer Vielzahl von Blutgefäßen gut versorgt wird.
Die empfindlichste Schwachstelle, die unter Überbelastung am häufigsten leidet, ist der Übergang des Muskels zur Sehne oder der Übergang der Sehne zum Skelett. Bei extremer Belastung, der die Muskulatur noch nicht gewachsen ist, kommt es daher häufig zu Verletzungen in diesem Bereich
Schaut man durch die Lupe, erkennt man das jeder Muskel aus Faserbündeln besteht, die aus vielen Millionen Muskelfasern zusammengesetzt sind. Wer noch genauer hinschaut, erkennt vielleicht die große Anzahl von Fibrillen. Sie sind die kleinsten Bausteine der Muskulatur und bestehen hauptsächlich aus zwei Eiweißarten, dem Myosin und Aktin.
Das Geheimnis liegt in der Faser.
Pferde verfügen, genau wie wir Menschen, über einen genetischen Bauplan. Über ein besonders an¬mutig erscheinendes kleines Mädchen mag man behaupten, dass es eines Tages Balletttänzerin wird und Arnies Eltern haben ihm vielleicht schon zum fünften Geburtstag das erste Paar Hanteln geschenkt. Auch Pferde verfügen genetisch bedingt über einen unterschiedlichen Muskelfaseraufbau, der sie für bestimmte Disziplinen prädestiniert.
Typ 1: Die „Ausdauernden“ – Slow twitch
Diese Muskelfasern sind langsam in der Kontraktion. Wenn sie bei gleichbleibender Belastung über einen längeren Zeitraum trainiert werden (Ausdauertraining) und eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff stattfinden kann, können diese Muskelfasern sehr lange arbeiten. „Slow twitch“-Muskelfasern findet man z.B. vermehrt bei Distanzpferden.
Typ 2: Die „Kraftvollen“ – Fast twitch
Diese Muskelfasern, in der Fachsprache „Fast twitch“-Muskelfasern genannt, sind aufgrund des hohen Gehalts an rotem Blutfarbstoff (Myoglobin) dunkelrot. Myoglobin besitzt die Fähigkeit, viel Sauerstoff aufzunehmen, was für kraftvolle und ausdauernde Leistungen notwendig ist. Diese hoch-oxidativen Fasern findet man bei Pferden, die über eine längere Zeit maximale Leistung erbringen müssen, z.B. Militarypferde
Ein Wechsel von „Slow Twitch“ in „Fast Twitch“ ist allerdings nicht möglich. Ein Quarter Horse oder ein Galopper kann ein gutes Distanzpferd, aber ein schwerer Warmblüter kann nie ein gutes Rennpferd werden. Das sollte man bei seinem Training schon vorweg berücksichtigen.
Nun gibt es verschiedene Muskelerkrankungen des Pferdes
Myopathien beim Pferd, ähneln sich zwar in den Krankheitssymptomen alle, aber haben völlig unterschiedliche Ursachen. Das Ausmaß der Muskelschädigung/-erkrankung spiegelt sich in der Schwere der Symptome wieder.
Symptome
Liegt eine schwerwiegende Muskelschädigung vor, kann das Pferd nicht mehr oder schlecht laufen. Es weigert sich, sich zu bewegen, schwitzt vielleicht stark und zeigt deutliche Schmerzen, wie z.B. Flehmen und Umsehen nach der schmerzenden, harten Hinterhandmuskulatur. Einige Pferde legen sich sogar hin. Diese Symptome können Koliksymptomen sehr ähnlich sein!
Ist die Muskelschädigung weniger stark, zeigt sich der Patient steif in der Hinterhand, eine Verhärtung der Muskulatur muss nicht immer fühlbar sein. Bei einer Myopathie gehen Muskelzellen zu Grunde, der Muskelfarbstoff wird über die Niere ausgeschieden, es kommt zur Braunfärbung des Harns. In einer Blutprobe sind die Muskelenzymwerte erhöht, anhand dieser Laborwerte kann das Ausmaß der Muskelschädigung abgeschätzt werden.
Diese Symptome treten bei den unterschiedlichen Ursachen gleichermaßen auf. Um eine Prophylaxe zu betreiben, ist die genaue Diagnostik der vorliegenden Muskelerkrankung wichtig.
Es gibt Ursachen wie: Trainingsmangel, Erbkrankheit, ernährungsbedingte Mangelversorgung, Stoffwechselerkrankungen, Infektionserkrankungen oder neurologische Störungen.
Um mal ein Paar zu nennen:
Rhabdomyelosen : Zerfall von Muskelfasern der Skelettmuskulatur
sporadisch auftretend : Überanstrengung / Erschöpfung / Hitzschlag / Elektrolytverlust als Folge von Infektionskrankheiten oder Trauma
RER – Tying Up (Recurrent Exertional Rhabdomyolysis)
wiederkehrende, belastungsbedingte Rhabdomyelosen, genetisch bedingt
EMH (Equine Maligne Hyperthermie)
Durch Narkose ausgelöste Hyperthermie mit metabolischer Azidose,
Muskelkrämpfen, Herzrhythmusstörungen, Nierenfunktionsstöruungen
PSSM Typ 1 + 2, genetisch bedingt
Chronische Erkrankungen:
Steifheit, Muskelkrämpfe, Atrophien (fokal oder generalisiert)
vermehrtes Liegen, Leistungsschwäche, – intoleranz
Faskulationen: HYPP (Hyperkalämische Periodische Paralyse)
Defekt in einem Natrium-Kanal-Gen , vererbt durch den Hengst „Impressive“ Muskelzittern und -schwäche, Herzversagen
Inophorenvergiftung atypische Weidemyoglobinurie: akute Rhabdomyelose der Weidepferde im Herbst / Winter mit Festliegen und hoher Mortalitätsrate.
Mitochondriale Myopathie (Fehlfunktion der Mitochondrien)
Hier ist es bei all den Ursachen unheimlich wichtig, dass eine sinnvolle Diagnostik erstellt wird. Häufig findet der Tierarzt oder Therapeut die Probleme nicht auf Anhieb. Manchmal müssen Gen-Tests wie bspw. bei PSSM 1 + 2 durchgeführt werden.
Allzu oft erlebe ich allerdings, dass immer nur das „Knöpfchen drücken“ gewünscht ist. Man kommt, repariert mit ein paar Handgriffen und Globuli das Pferd und morgen geht es wieder Turnier. So funktioniert der Organismus aber nicht.
Wenn man nicht genau weiß was die Ursachen sind, kann man auch nicht gezielt einen Therapieplan erstellen. Muss das Training vielleicht verändert werden? Etwas was die wenigsten Besitzer gerne hören.
Muss ggf. das Futter verändert werden? Auch hier stößt man häufig auf Widerstand, da das Futter oft einheitlich am ganzen Stall gefüttert wird, egal ob nun Mini-Shetty, Vollblut oder Shire.
Oft ist es auch notwendig das Tierarzt und Therapeut zusammenarbeiten, dass die Ursache gefunden wird und behandelt werden kann. Leider darf auch der Besitzer nicht die Kosten der Tests oder Untersuchungen scheuen, sonst fischt man ewig im Trüben und behandelt (manchmal falsch) auf Verdacht.
Der Partner, der euch trägt oder es zumindest versucht, ist ein treuer Begleiter und Freund und kein Sportgerät.
Nehmt euch das zu Herzen, schaut genau hin, wenn euer tierischer Partner auf einmal nicht mehr so leistungsfähig ist und vor allem, habt ihr einen guten Tierarzt und Therapeuten, nehmt die Ratschläge an – euer Herzenspferd (wie sie meist genannt werden) wird es euch danken.